Viel mehr Menschen, als allgemein  angenommen wird, haben Anspruch auf  einen Wohnberechtigungsschein. Auf  ihren Websites informieren Stadt und  Kreis Düren über das Thema.   Foto: C. Lammertz / ZieL.media

Düren: Bezahlbarer Wohnraum – in der öffentlichen Debatte erregen aktuell nur wenige Themen derart die Gemüter. Mieten steigen deutlich stärker als die Einkommen, und zugleich wird immer weniger gebaut, vor allem im preiswerteren Segment. Die Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot wird insbesondere für Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen zunehmend größer. Zumal günstige öffentlich geförderte Wohnungen, so wird allgemein angenommen, nur für Empfänger von Transferleistungen gedacht sind. „Stimmt nicht“, sagt Dagmar Runge. „Wenn wir über den Wohnberechtigungsschein sprechen, der Voraussetzung für den Bezug einer geförderten Wohnung mit Mietpreisbindung ist, dann reden wir über die Mitte der Gesellschaft“, betont die Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin des Dürener Bauvereins. Im Interview spricht sie über dieses Thema und erklärt, warum trotzdem für zu wenige Menschen günstige Wohnungen zur Verfügung steht.

Frau Runge, Sie verorten den Wohnberechtigungsschein in der Mitte der Gesellschaft. Das ist nicht das, was man gemeinhin darüber denkt.

Dagmar Runge: Das stimmt. Die meisten nehmen an, dass der Wohnberechtigungsschein, der das Mieten einer öffentlich geförderten Wohnung mit niedriger Miete ermöglicht, nur Menschen in der Grundsicherung oder im Arbeitslosengeldbezug zusteht. Das ist aber nicht richtig. Auch viele Berufstätige mit niedrigem bis mittlerem Einkommen haben Anspruch darauf.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel geben?

Runge: Es gibt zwei unterschiedliche Einkommensgruppen, die bei der Vergabe von geförderten Wohnungen eine Rolle spielen. Nehmen wir eine vierköpfige Familie – Eltern mit zwei Kindern. In der Gruppe A liegt für sie die Einkommensgrenze für den Wohnberechtigungsschein bei einem jährlichen Netto-Einkommen von 43.130 Euro. In der Einkommensgruppe B, in der die Grenze der Gruppe A um bis zu 40 Prozent überschritten werden darf und die Mieten entsprechend etwas höher liegen, ist es ein Netto-Einkommen von 60.382 Euro. Wir sprechen da also über durchschnittliche Verdienste und über viele Familien, wo wegen der Erziehung kleiner Kinder nur ein Elternteil berufstätig sein kann. Übrigens gibt es neben den Zuschlägen für jedes Kind auch andere Faktoren, die berücksichtigt werden können. Zum Beispiel die Pflege eines Angehörigen.

Das heißt: Zumindest in der Theorie haben mehr Menschen, als allgemein angenommen wird, die Chance auf eine bezahlbare Wohnung.

Runge: Ja. Und ich weiß, worauf Sie hinauswollen.

Das Recht auf einen Wohnberechtigungsschein bedeutet halt noch lange nicht das Recht auf eine bezahlbare Wohnung.

Runge: Weil wir einfach zu wenige öffentlich geförderte Wohnungen haben. Da hilft dann auch kein Wohnberechtigungsschein. Das ist eines der großen Probleme auf dem deutschen Wohnungsmarkt.

Ketzerisch gefragt: Warum baut dann zum Beispiel der Dürener Bauverein nicht einfach mehr geförderte Wohnungen?

Runge: Weil das Bauen öffentlich geförderter Wohnungen genauso teuer ist wie das Bauen freifinanzierter Wohnungen. Wir haben seit dem Ukrainekrieg mit einer Explosion der Baukosten zu kämpfen und parallel gibt es nur wenige bebaubare Grundstücke. Und die wenigen werden oft weit über dem üblichen Marktpreis verkauft. Wenn man andererseits die Vorgaben des Landes für öffentlich geförderten Wohnraum sieht, wonach als Miete in der Dürener Region nur 6,50 Euro angesetzt werden dürfen, dann muss man leider sagen, dass das wirtschaftlich im Grunde nicht zu machen ist.

Trotzdem hat der Bauverein aber entgegen dem allgemeinen Trend auch in der jüngsten Vergangenheit öffentlich geförderten Wohnraum geschaffen.

Runge: In Niederzier, in Düren in der Brückenstraße und in Lendersdorf „Am Wehr“. Und wir beginnen in Düren jetzt mit dem Objekt „Goebenstraße“, wo ein Teil der neuen Wohnungen auch öffentlich gefördert ist und günstig vermietet wird. Wir haben beim sozialen Wohnungsbau also sicher mehr gemacht als die meisten anderen Wohnungsbaugesellschaften.

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Dagmar Runge, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin des Dürener Bauvereins. Foto: Dürener Bauverein AG

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