Düsseldorf: Das Bundesverfassungsgericht hat heute zwei Verfassungsbeschwerden, die das von der schwarz-gelben Vorgängerregierung beschlossene Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen zum Gegenstand hatten, stattgegeben.

Dabei hat es ein pauschales Verbot des Tragens von religiösen Symbolen im Unterricht für verfassungswidrig erklärt. Es hat darüber hinaus die Privilegierung zugunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Symbole für verfassungswidrig erklärt.

Zum konkreten Hintergrund:

Eine Verfassungsbeschwerde betraf die Abmahnung und die verhaltensbedingte Kündigung einer tarifbeschäftigten muslimischen Lehrerin, die sich nach Inkrafttreten des § 57 Abs. 4 SchulG geweigert hatte, ihr Kopftuch im Dienst abzulegen. Die von ihr eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Verfahren blieben bis zum Bundesarbeitsgericht erfolglos.

Die zweite Verfassungsbeschwerde hatte die Abmahnung einer im Schuldienst tätigen muslimischen Sozialpädagogin wegen des Tragens einer Strickmütze zum Gegenstand. Seitdem die Schulleitung sie nach Inkrafttreten des § 57 Abs. 4 SchulG aufgefordert hat, ihr Kopftuch in der Schule abzulegen, trägt sie eine Strickmütze mit Strickbund, die Haar, Haaransatz und Ohren bedeckt. Gegen die daraufhin ausgesprochene Abmahnung ist sie arbeitsgerichtlich vorgegangen, wobei die Verfahren ebenfalls bis zum Bundesarbeitsgericht erfolglos blieben.

Beide Verfassungsbeschwerden richteten sich unmittelbar gegen die angegriffenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen die Regelung des § 57 Abs. 4 SchulG.

Schulministerin Sylvia Löhrmann begrüßte das Urteil: „Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die im Jahr 2006 auf Initiative der Vorgängerregierung ins Schulgesetz eingefügte Regelung zum Kopftuchverbot gegen das Grundgesetz verstößt. Damit besteht nun in einer seit Jahren streitigen Frage Rechtssicherheit: Ein generelles gesetzliches Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist mit der von unserer Verfassung gewährleisteten Religionsfreiheit nicht vereinbar. Wir werden nun unverzüglich prüfen, welche Konsequenzen aus den Entscheidungen im Einzelnen zu ziehen sind. Hierzu müssen die differenzierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig ausgewertet werden. Dann werden wir alle erforderlichen rechtlichen Schritte zügig einleiten.“

Löhrmann abschließend: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch ein wichtiges Signal für die Lehrerinnen, die derzeit für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden. Sie haben jetzt für die Arbeit in unseren Schulen eine klare Perspektive. Ich freue mich sehr über das Urteil, schließlich gehört für uns in Nordrhein-Westfalen der Islam zu einer multireligiösen Gesellschaft dazu.“
 
Die bisherige Regelung im Schulgesetz NRW § 57 Abs.4 lautet:

(4) Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Abs. 6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht und in den Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen.

Foto: Land NRW / W. Meyer-Piehl

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