Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 wurde § 21 Abs. 6 SGB II eingeführt. Damit wird sichergestellt, dass im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit dem Regelbedarf abgedeckt sind, auch unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige besondere Bedarfe abgedeckt werden, die in atypischen Lebenslagen anfallen. Der Anspruch auf diesen „Sonderbedarf“ entsteht erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem/der Hilfebedürftigen gewährten Leistungen das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Dieser zusätzliche Anspruch entsteht angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen.
1) Anwendungsfälle
Als Anwendungsfälle gelten insbesondere:
Pflege- und Hygieneartikel
Pflege- und Hygieneartikel, die aus gesundheitlichen Gründen laufend benötigt werden (z.B. Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion, Körperpflegemittel bei Neurodermitis), sind in erforderlichem Umfang als Mehrbedarf zu übernehmen. Die Notwendigkeit ist durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.
Putz-/Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer
Rollstuhlfahrer können aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit gewisse Tätigkeiten im Haushalt nicht ohne fremde Hilfe erledigen. Soweit ihnen keine anderweitige Unterstützung – z.B. durch Angehörige – zur Verfügung steht, besteht zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins ein laufender Bedarf an einer Haushalts- bzw. Putzhilfe, der als Sonderbedarf in erforderlichem Umfang zu übernehmen ist.
Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts
Entstehen einem geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteil regelmäßig Fahrt- und/oder Übernachtungskosten aufgrund der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinen Kindern und können diese nicht aus evtl. vorhandenem Einkommen, der Regelleistung oder Leistungen Dritter bestritten werden, können diese in angemessenem Umfang übernommen werden. Dies gilt für die Kinder entsprechend, soweit den Kindern an Stelle ihrer Eltern Kosten entstehen. Aber auch in diesem Fall sind sehr enge und strikte Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen.
Sonstige Fälle
Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend. In Umfang und Ausmaß vergleichbare Fälle können ebenfalls unter die Härteklausel fallen. Aber auch hier gelten sehr enge und strikte Tatbestandsvoraussetzungen.
2) Fallgestaltungen ohne Sonderbedarf
In den folgenden Fällen besteht kein zu übernehmender Sonderbedarf im Sinne des Urteils:
Schulmaterialien und Schulverpflegung
Bekleidung/Schuhe in Übergrößen
Krankheitsbedingter Ernährungsaufwand
Nicht verschreibungspflichtige Medikamente
3) Antragsverfahren und Bewilligungszeitraum
Die Sonderbedarfe werden jeweils längstens für einen Bewilligungszeitraum gewährt. Die Bewilligung erfolgt in der Regel endgültig. Dies gilt dann nicht, wenn nicht absehbar ist, in welcher Höhe der Sonderbedarf im Verlauf des gesamten Bewilligungszeitraums hinweg anfallen wird. In diesem Fall kann ein Vorschuss nach § 42 SGB I erbracht werden. Die Leistung ist zweckentsprechend zu verwenden. Sie kann nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB X widerrufen werden, wenn sie nicht für den beantragten Zweck verwendet wird. Insofern hat der/die Hilfebedürftige Nachweise über die zweckentsprechende Verwendung der Leistungen für den Sonderbedarf zu erbringen. Er/Sie ist auf seine Nachweispflicht sowie die Möglichkeit eines Widerrufs bei der Bewilligung hinzuweisen.