Für den deutschen Sport wie auch die deutsche Wirtschaft war der heimische Austragungsort des UEFA Euro Cup ein wichtiges Ereignis, das abertausende Fußballfans aus allen Ländern der Welt herbeizog, die das Land einen Monat lang in Ausnahmezustand versetzten. Die Bilanz: die UEFA kassierte mächtig und rechnete schon vorab mit mehr als einer Milliarde Euro Gewinn, während in den Austragungsstädten eher Kosten anfielen was die Investition in Infrastruktur, Sicherheit und Polizeikosten betraf. Fast einen Monat ist es nun her, dass die EM 2024 ihr Ende nahm, und Deutschland wie auch von den internationalen Besucher wird Bilanz gezogen: konnte die Nation ihrem Ruf effizient, pünktlich und gut organisiert zu sein gerecht werden?
„Vergessen Sie alles, was Sie zu wissen glaubten“ resümierte ein Journalist der New York Times und meinte dies keineswegs im positiven Sinne, als er auf die Probleme im öffentliche Nahverkehr in und um die Austragungsorte verwies, der während der EM aufgrund Überfüllung regelrecht zusammenbrach: oftmals erhebliche Verspätungen, Chaos auf den Bahnsteigen und furchtbare Bedingungen in den vollgestopften Zügen, nicht zuletzt aufgrund der Sommerhitze, werden im Ausland als Gründe dafür genannt, dass das Fanfieber vermiest wurde. Auch in den Stadien fiel die Kontrolle der Fans eher bedenklich aus, resümierte der Journalist, und mag dabei nicht übertrieben haben, denn immerhin wurden bei einigen Spielen den deutschen Fans der Zugang nach rüpelhaftem und inakzeptablem Verhalten verwehrt.
In den USA mag man Probleme mit öffentlichen Verkehrsmitteln weniger gewöhnt sein, doch auch die Briten, die mit Fußballchaos und gigantischem Menschenauflauf auf den Treppen, Gleisen und in den Zügen bestens vertraut sind, waren schockiert, wie schlecht der Personenverkehr von der Deutschen Bahn organisiert wurde: die Daily Mail berichtete von „entsetzlichen Szenen“ als tausende Fans nach dem englischen Match gegen Serbien in Gelsenkirchen stundenlang auf die Bahn warten mussten, die sie vom Schalker Stadion zurück in ihre Hotels bringen sollten. Die Tickets für EM-Spiele waren bekanntlich mit erheblichen Kosten verbunden, umso verbitterter war deshalb auch ein österreichischer Fan, der samt seinem Sohn per Bahn von Wien nach Düsseldorf reiste, um die Begegnung gegen Frankreich live zu erleben. Das Bahnnetz brach zusammen, und wenngleich die Fans dann auf Taxis und Busse auswichen, erlebten die Reisenden eine bittere Enttäuschung, als sie nach 70 Minuten Spielzeit endlich ins Stadion gelangten. Die Bahn entschuldigte sich mittlerweile und dankte den Fans für „Geduld und Umsicht“, der bittere Nachgeschmack blieb jedoch für viele Besucher und der Deutsche Ruf stets organisiert zu sein ist erheblich angekratzt.
Ein weiterer Kritikpunkt mag den Deutschen im Vorfeld weniger bewusst gewesen sein, denn hierzulande bevorzugt man nach wie vor das Bezahlen mit Bargeld, während dies in Länder wie Großbritannien und den USA kaum noch üblich ist. Touristen waren schockiert und blamiert, wenn sie auf einmal im Restaurant nach dem Essen nicht mit Kreditkarte bezahlen konnten.
War die EM also ein totaler Flopp, nicht nur für die deutsche Nationalmannschaft, die frühzeitig ausschied und es nicht einmal bis ins Halbfinale schaffte - anders als bei den Wettquoten und Wetten vorab angenommen, die Deutschland als einen der stärksten Favoriten hinter England und Frankreich listeten? Absolut nicht, denn eines verstehen die Deutschen absolut, wenn es um Fußball geht: wie man mächtig Party macht, Gastfreundschaft pflegt und allerorts ausgelassene Stimmung rund ums runde Leder verbreitet. Sogar der verärgerte Journalist der New York Times resümierte in seinem Artikel: „Die Deutschen sind auch wunderbare Gastgeber, und von Hamburg im Norden bis München im äußersten Süden bietet das Land eine Fülle von Speisen, Getränken, Architektur und Geschichte, die den Aufenthalt bei dieser Europameisterschaft zu einem Erlebnis machen.“
Auch die Schweizer Nachbarn machten sich für den großen Bruder stark und sendeten im TV vor allem Szenen von ausgelassener Stimmung, singenden und tanzenden Fans sowie guter Polizeipräsenz, die das Geschehen gut unter Kontrolle wirken ließen, während Ausschreitungen zwischen Fans, wie beispielsweise zwischen den englischen und serbischen Fans in Gelsenkirchen, nur am Rande erwähnt wurden. In Italien und Frankreich betrauert man eher den Ausgang des Turniers als sich über deutsche Inneffizienz aufzuregen, und in Spanien befindet man sich natürlich in erster Linie im Siegestaumel, wenngleich die Spanier es durchaus bizarr fanden, als ihre Hymne von gegnerischen Fans ausgepfiffen wurde und dass in den Stadien 3 Euro Pfand für die Becher anfielen, was man im Heimatland einfach nicht kennt.
Deutsche Gastfreundschaft und Sauberkeit wurde hingegen auch in Schottland gelobt, die offizielle Fan-Vereinigung „Tartan Army“ schrieb in einem Facebook-Post begeistert, dass man einen tollen Sommer in Deutschland verbracht hatte: „unsere Gastgeber waren gastfreundlich und wir hatten großen Spaß mit Fans aus allen Ländern zusammenzutreffen. Wir machen allesamt denkwürdige Erinnerungen“ heißt es hier, und auch die reibungslose Organisation ins Stadium zu gelangen wurde gelobt, denn offenbar funktionierte hier das deutsche Organisationstalent besser als im ÖPNV. Auch die Kölner Imbissstände und Klos wurden, abgesehen von etwas Wartezeit, als durchwegs erfreulich bezeichnet.