Nur wenige Kleidungsstücke können auf so viele Stile, Materialien und Einsatzgebiete verweisen wie der Pullover. Auch die Alternativbezeichnungen für das praktische Basic sind vielfältig. Am spannendsten aber ist seine Historie, die einen breiten Bogen vom Witterungsschutz zum It-Piece spannt.

Pullover als Arbeitskleidung mit lebenswichtigen Eigenschaften


Genau wie Jeans waren Pullover zunächst Arbeitskleidung. Sie begleiteten bzw. bekleideten Fischer auf ihren oft gefährlichen Fangzügen – wo sie die Aufgabe hatten, ihre Träger warm und trocken zu halten. Gewährleistet wurde dies durch ein Material mit außergewöhnlichen Fähigkeiten: Wolle kann das Vielfache ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen, ohne sich schwer oder feucht anzufühlen. Zudem wirkt sie temperaturausgleichend, ist atmungsaktiv, bindet Gerüche und stößt Schmutzpartikel ab.

Um die Wirkung der Wolle zu optimieren, verzichteten die Fischer auf unnötige Öffnungen an den Pullovern. Sie fertigten die Schutzkleidung aus buchstäblich einem Stück, sodass es nur eine Möglichkeit gab, sie anzulegen: Über den Kopf gezogen bedeckte sie den gesamten Oberkörper, die Arme und meist auch den Hals. Von dieser Praxis rühren die beiden gängigsten Bezeichnungen pull over („zieh über“) und Jumper (im Sinne von „hineinspringen“).

Pullover als Sportkleidung mit variantenreicher Ausstattung


Am Nutzen der so gestalteten Pullover änderte sich lange Zeit nichts. Erst im Rahmen der so genannten Lebensreform mit verstärkten sportlichen Aktivitäten bekamen sie eine neue Bedeutung: Beim Wandern, Segeln und Skifahren bewies die einstige Fischerkleidung den gleichen Nutzen wie auf hoher See. In Abgrenzung zum englisch basierten „Pullover“ prägten deutschsprachige Reformer den Begriff Schwubber, der so viel bedeutet wie „bequem“ oder „geschmeidig“.

Fast gleichzeitig begannen sich die praktischen Kleidungsstücke im Alltag zu etablieren. Die grobe Wolle wich zunehmend feineren Materialien; dazu gesellten sich Muster, alternative Kragenformen und innovative Verschlusslösungen. Sie verliehen der bisherigen Berufs- und Sportkleidung ein moderneres Aussehen und gaben ihr zahlreiche neue Einsatzmöglichkeiten. Zudem erlaubten hinzukommende Bezeichnungen, die Pullover nach Ausstattungsmerkmalen zu unterscheiden. Darunter sind Troyer (mit Reißverschluss), Sweater (mit angerauter Innenfläche) und Jacquard (mit eingewebtem Muster) die bekanntesten.

Pullover als Statement mit unmissverständlicher Aussage


Doch auch das schlichte Modell mit dem ursprünglichen Rollkragen blieb der Modewelt erhalten. Zum einen als Teil der Winterkleidung; zum anderen in Künstlerkreisen. Hier wurden schmal geschnittene, in Schwarz gehaltene Exemplare ab den 1960er-Jahren zum Ausdruck von Nonkonformismus und größtmöglicher Gedankenfreiheit. Bis heute haben derartige Pullover ein unverändertes Image und sind bei allen Altersklassen gleichermaßen beliebt.

Im Gegensatz dazu sind bedruckte Ausführungen oft einer bestimmten Szene vorbehalten. Logos, Symbole, Sprüche oder Bandnamen kennzeichnen die Träger*innen dieser Pullover als Mitglieder geschlossener Gruppen – und können daher auch im Rahmen von Corporate Identity eingesetzt werden. Viele Unternehmen nutzen diesen Umstand, indem sie T-Shirts, Pullover oder Sweatjacken mit ihren Namen bzw. Slogans veredeln lassen, um ein Erkennungsmerkmal zu schaffen.

Pullover als ironische Hommage an die schönste Zeit des Jahres


Ähnlich – und doch ganz anders – verhält es sich mit den berühmt-berüchtigten Weihnachtspullovern. Sie tauchen alle Jahre wieder in On- und Offline-Shops auf, ohne einen erkennbaren Sinn zu vermitteln. Doch so anekdotenhaft wie die Historie des Pullovers im Allgemeinen ist auch die Herkunft der Ugly Christmas Sweater: Angeblich gehen sie auf britische Fernseh-Moderatoren zurück, die ihren Einsätzen zur Weihnachtszeit etwas Spaßiges abgewinnen wollten.

Der Witz verselbstständigte sich und führte dazu, dass bald alle Inselbewohner die seltsam gemusterten Pullover haben wollten. Heute gehören sie auch jenseits des Ursprungslandes zum Weihnachtsfest wie Tannenbäume und Plätzchen. Sogar in Filmklassikern wie der Bridget-Jones-Reihe und im Harry-Potter-Universum finden
Weihnachtspullover Erwähnung.

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