Offenbach: Tschernobyl steht für die bislang schwerste Reaktorkatastrophe in der Geschichte der zivilen Kernkraftnutzung. Am 26. April jährt sich der Unfall in der Ukraine zum 30. Mal. Sowohl Tschernobyl als auch die Reaktorkatastrophe von Fukushima (2011) zeigen, wie wichtig ein funktionierendes Katastrophenschutz-management ist. Eine wichtige Funktion hat hierbei der Deutsche Wetterdienst (DWD).
Tschernobyl, 1986: Der DWD liefert Daten vom ersten Tag an
Die allgemeine Überwachung der Radioaktivität in Deutschland war damals auf verschiedene Laboratorien der Bundesländer und einiger Bundesbehörden aufgeteilt. Das größte Problem zu Anfang bestand in der Unterschiedlichkeit von Messverfahren und Grenzwerten in den einzelnen Bundesländern. Für die Überwachung der Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen, also in der Luft und im Niederschlag, war dagegen seit 1955 die Bundesbehörde Deutscher Wetterdienst zuständig. Der DWD konnte damals mit Hilfe 12 spezieller Messstellen vom ersten Tag an die erhöhten Werte der Radioaktivität in Luft und Niederschlag feststellen und zusammen mit entsprechenden Ausbreitungsvorhersagen an das zuständige Innenministerium des Bundes melden.
Als Lehre aus Tschernobyl setzte die Bundesregierung ein Konzept des neu geschaffenen Umweltministeriums um und vernetzte auf der Basis des Strahlenschutzvorsorgegesetzes vom Dezember 1986 alle beteiligten Fachbehörden. Zudem wurde ein integriertes Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS) geschaffen und beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) angesiedelt.
30 Jahre nach Tschernobyl – deutlich präziser und schneller
Seit 1986 konnte der DWD sein Messnetz von 12 auf 48 Messstellen erweitern. „Neueste Technik ermöglicht heute bereits ein Millionstel der damals durch Tschernobyl verursachten Radioaktivität aufzuspüren“, so DWD-Referatsleiter Dr. Thomas Steinkopff. Der Niederschlag wird täglich gesammelt und mit hochempfindlicher Technik ausgemessen. Ein 20-köpfiges Team im Zentrallabor des DWD in Offenbach organisiert ggf. zusätzliche radiochemischen Analysen für extrem empfindliche Spurenmessung und koordiniert die Arbeit des DWD-Radioaktivitätsmessnetzes. Auch der Einsatz eines Messflugzeugs wird von hier aus gesteuert.
Mehrmals im Jahr führt man im DWD entsprechende Ernstfall-Übungen durch. Inzwischen sind Ausbreitungsberechnungen innerhalb weniger Minuten zur Abschätzung der Konzentration in Luft und Niederschlag Routine. Auch Rückwärtsprojektionen sind möglich: Sie lassen erkennen woher die Radioaktivität ursprünglich kam. Der Fall Fukushima hat gezeigt wie gut der DWD mittlerweile aufgestellt ist. Tatsächlich konnte der DWD damals exakt vorhersagen wieviel Tage es brauchen wird, bis die extrem verdünnten Emissionen aus Fukushima auch über Deutschland nachweisbar sind.