Aachen: Die 30 Meter große Fichte sieht plötzlich aus wie ein Essstäbchen, wenn sie durch den Harvester mühelos, fast spielerisch, in die Luft gehoben, entastet und zerlegt wird. Thomas Rüttgers setzt dazu den Fällkopf der Holzernte-Maschine am untersten Ende des Stammes an, die Säge schneidet beide Seiten ein – und schon ist der Baum gefällt.
„Mit dem Harvester fälle ich etwa 200 Festmeter am Tag“, sagt Rüttgers. Mit dem familiären Forstbetrieb ist er im Auftrag des Aachener Forstamtes an der Grünen Eiche beschäftigt. Er sitzt in der beeindruckenden Maschine und programmiert den Computer, der den Fällkopf steuert. Der Fällkopf schneidet dann automatisch den Baumstamm anhand von Durchmesser und Länge computeroptimiert in verschiedene Holzqualitäten und –sortimente. Herr Rüttgers greift nur ein, wenn ein Baum von Fäulnis betroffen ist oder zu viele Äste hat. „So können wir schon vor Ort die spätere Verwendung bestimmen“, verrät Rüttgers.
Massive Borkenkäfer-Plage bedroht den Aachener Wald
Während der Sortierung des Holzes wird der Stamm durch den Fällkopf geschoben, die Rinde wird gequetscht. Dadurch wird der Übeltäter vernichtet, der die eigentlichen Fällarbeiten notwendig macht: der Borkenkäfer. Ulrike Völkel vom Aachener Gemeindeforstamt berichtet von dem enormen Befall im Aachener Wald, im Brander- und Münsterwald: „Es gibt überall befallene Fichten, in jedem betroffenen Baum nisten bis zu 10.000 Borkenkäfern.“ Das warme Wetter der vergangenen Monate begünstigte dies noch. Durch den fehlenden Niederschlag sind die Bäume vermehrt im Trockenstress; es fällt ihnen schwer, sich selbst zu versorgen. Dadurch sind sie anfälliger für den Befall der Borkenkäfer, die diese Schwäche ausnutzen.
Früherkennung entscheidend um Restbestand zu sichern
Als ersten Schritt bildet der Baum vermehrt Harz, um den Borkenkäfer abzuwehren. Einen kranken, befallenen Baum erkennt man an kreisrunden Löchern in der Rinde, das durch den Borkenkäfer verursachte Bohrmehl oder Spechte auf Nahrungssuche, die den Befall schon lange bemerkt haben. „Wenn die Baumkrone anfängt rot zu leuchten, ist es schon zu spät. Der Baum stirbt ab“, sagt Völkel. „Dann müssen wir schnellstmöglich eingreifen.“
Um den Restwald vor dem Borkenkäfer zu schützen, können die befallenen Bäume nur gefällt werden. Vorbeugend muss dies geschehen, wenn der Baum noch nicht abgestorben ist und noch Borkenkäferlarven im Baum sind. Erst der junge Käfer verlässt den Baum auf der Suche nach neuen Bäumen. Wird der befallene Baum rechtzeitig aus dem Wald geschafft, kann der gesunde Teil des Waldes geschützt werden. „Auch wenn es manchmal aussieht, als würden wir gesunde Bäume fällen, besteht ein erster Befall. Wir müssen dann großräumig auskesseln, um einer Ansteckung vorzubeugen. Dadurch wird der Restbestand gesichert“, so Völkel. Thomas Rüttgers ergänzt: „Wenn wir nicht so aktiv gegen den Borkenkäfer vorgehen würden, ständen in 10 Jahren etwa 50 bis 60 Prozent der Fichten nicht mehr.“
Nach Qualität sortiert zur Weiterverarbeitung
Um die Bäume fällen zu können, darf der Harvester die sogenannte Rückegasse – eine Schneise zum Fällen und Abtransportieren der Bäume – nicht verlassen. In einem FSC-zertifizierten Wald wie dem Aachener Wald, der für die natürliche Waldgesellschaft steht, ist alle 40 Meter eine solche Gasse vorgesehen. Kann der Harvester einen befallenen Baum nicht von einer Rückegasse aus erreichen, muss per Hand mit Hilfe der Motorsäge zugefällt werden. Auch dies dient dem Schutz des Waldes und Waldbodens vor dem übermäßigen Befahren durch Maschinen.
Sind die Stücke des Stammes dann nach Qualitäten sortiert, werden sie per Rückezug durch die Gasse aus dem Wald geschafft und aufgestapelt. Auf Holztransportern werden sie dann zu den Käufern und Sägewerken transportiert. Das gefällte Holz der befallenen Bäume kann auch bei enormem Schaden weiterverarbeitet werden; zum Beispiel zu Paletten oder in der Papierindustrie.
Durch Aufforstung zurück zum Misch-Wald
Nach dem Abtransport folgt der letzte Schritt: das Aufforsten. Die Boden- und Klimaverhältnisse im Aachener Wald sind günstig für Buchen, die gezielt gepflanzt werden. Fichten sind in unserer Region nicht standortgerecht. „Mit der Aufforstung nutzen wir die Gelegenheit, wieder zum natürlichen Laubmischwald zurückzukehren“, sagt Ulrike Völkel.
Manchmal muss das Forstamt gar nicht mehr eingreifen, da eine natürliche Sukzession eintritt. Dies bedeutet, dass der Wald es selbstständig schafft, kleinere Flächen aufzuforsten. Durch die Bepflanzung oder natürliche Sukzession werden Angriffsflächen für Stürme wieder geschlossen, die durch die Abholzung der Fichten entstandenen sind. So kann der Wald gesund weiter wachsen.