Verkehr: Die schnelle und flächendeckende Verbreitung von Smartphones hat in den vergangenen Jahren zu einer Zunahme von Verkehrsunfällen geführt, die durch Ablenkung verursacht wurden. Doch nicht nur augenscheinlich ablenkende Handlungen wie das Bedienen eines Handys oder Navigationsgeräts sind gefährlich, sondern auch vermeintlich harmlose Tätigkeiten wie Essen oder Trinken. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie, die der ADAC in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Automobilclub ÖAMTC erstellt hat.
Praktisch alle Probanden der Studie gaben an, kleinere Tätigkeiten regelmäßig und ohne Bedenken beim Autofahren nebenbei zu erledigen. So wundert es nicht, dass inzwischen die geschätzte Zahl der Ablenkungsunfälle ähnlich hoch ist wie die bei Unfällen durch Alkohol am Steuer.
Bei der Untersuchung fuhren 66 Männer und Frauen mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 50 Stundenkilometern eine gesicherte Teststrecke auf einem Fahrsicherheitszentrum ab. Per Funk erhielten die Probanden verschiedene Aufgaben: Eine Brille aus einem Etui entnehmen, aus einer Wasserflasche trinken, ein heruntergefallenes Kinderspielzeug aufheben und dem Kinder-Dummy auf der Rückbank auf den Schoß legen, ein Handytelefonat entgegennehmen sowie eine Adresse in ein Navigationsgerät eintippen. Das Fahrverhalten wurde mittels Videoaufzeichnungen registriert, zudem wurden Herz- und Gehirnaktivität gemessen.
Bei jeder untersuchten Nebentätigkeit wurde analysiert, worauf die Blicke der Fahrer gerichtet waren. Am längsten ging der Blick weg vom Geschehen auf der Straße bei der Navigationsaufgabe, gefolgt vom Handytelefonieren und dem Brillenetui. Die Aufgaben "Spielzeug aufheben" und "aus der Wasserflasche trinken" erforderten die wenigsten Blickabwendungen. Die Fahrer unterschätzten jedoch systematisch die negativen Auswirkungen, die ablenkende Tätigkeiten auf ihr Fahrverhalten haben. Immerhin drei Viertel der Probanden wären bei der Navigationsaufgabe auf ein plötzlich auftauchendes Hindernis aufgefahren. Übertragen auf den Stadtverkehr wären die auftauchenden Hindernisse Fußgänger oder Radfahrer, die beim Aufprall erhebliche Verletzungen erleiden würden.
Laut ADAC ist Autofahren für die große Mehrheit der Fahrzeuglenker Routine - insofern ist das Gefühl der Unterforderung naheliegend, ebenso wie das Bedürfnis nach zusätzlicher Beschäftigung. Gerade deshalb muss auf die Gefahr durch Ablenkung hingewiesen werden. Der Club plädiert dafür, das Thema "Ablenkung" stärker als bisher in die Fahrausbildung zu integrieren. Dabei gilt es auch, den Hang zur Fehleinschätzung der eigenen Fahrkompetenz hervorzuheben - dem vor allem Männer erliegen.
Die detaillierten Ergebnisse der vorliegenden Studie werden am Mittwoch, 20. Mai, zum zehnjährigen Bestehen der ADAC Unfallforschung im Rahmen eines zweitägigen Symposiums vorgestellt.