Verkehrte Welt auf dem europäischen Finanzmarkt: Wer spart, zahlt drauf, und Kreditnehmer müssen am Ende weniger zurückzahlen. Ursache für diese Umkehrung der Verhältnisse: Negativzinsen. Nein, das ist kein Scherz, sondern die Folge der skurrilen geldpolitischen Entscheidungen jüngster Zeit.

 

 

Als Vater des Negativzinses darf die Europäische Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi gelten. Neben mehrmaligen Leitzinssenkungen – zuletzt auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent – ist es vor allem der Einführung von Strafzinsen zu verdanken, dass einige europäische Banken ihnen entstehende Verluste nun an die Kunden weitergeben. Will ein Kreditinstitut Geld bei einer der Notenbanken deponieren, wird seit Neuestem ein Zins von minus 0,2 Prozent berechnet. Hintergrund dieser Entscheidung war der Wunsch, dass europäischen Banken weniger Geld bunkern und stattdessen per Kredit an private Haushalte und Unternehmen weitergeben. Doch diese Rechnung geht nur teilweise auf. Statt wie erhofft mit einer lockeren Kreditvergabe zu reagieren, ziehen es einige Banken vor, den Strafzins der Notenbaken ihren Kunden auf Umwegen in Rechnung zu stellen.

In der Schweiz wurde dafür der Euphemismus "Guthabenkommission" erfunden. Soll heißen, der Eidgenosse zahlt jetzt drauf, wenn er seine Rücklagen einer renommierten Bank wie der Credit Suisse oder dem Bankhaus Lombard Odier anvertraut – und zwar bis zu minus 0,75 Prozent pro Jahr ab einer Einlagensumme von mehr als 100.000 Euro. Wer wundert sich da noch, dass Schweizer Großanleger ihr Geld lieber zu Hause horten? In Dänemark hingegen hat der umgekehrte Fall für Aufsehen gesorgt. Hier hat die Bank Nordea mit Negativzinsen bei Kreditprodukten herumexperimentiert. Heraus kam ein Hypothekenkredit mit einem Zins von minus 0,3 Prozent. Kreditnehmer haben im ersten Jahr somit nicht nur keine Zinsen gezahlt, sondern sogar noch Geld von der Bank bekommen. Überraschenderweise wurde das Konzept kein Erfolg – weder für die Bank, noch für die Kunden, die mit außergewöhnlich hohen Gebühren belastet wurden. Auch in Deutschland führen die Entwicklungen auf dem europäischen Geldmarkt zu kreativen Finanzprodukten.

Hier zieht es Sparer vor allem ins Ausland. In Kooperation mit der MHB Bank startete das Start-up Weltsparen bereits 2013 ein Konzept, dass deutschen Sparern jenseits der deutschen Staatsgrenzen eine nennenswerte Rendite auf ihre sauer verdienten Rückladen ermöglicht – und zwar auf Festgeldkonten ausländischer Geldinstitute wie der bulgarischen Fist Investment Bank. Hier können Anleger noch Zinsen von bis zu 3 Prozent kassieren. Spareinlagen über 100.000 Euro werden jedoch nicht angenommen. Denn nur bis zu dieser Summe greift die europäische Einlagensicherung, die die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, für das Sparguthaben auf nationalen Banken zu haften. Bisher nutzt erst ein kleiner Anteil der Anleger in Deutschland die Festgeldangebote des Auslands. Angesichts der

Entwicklungen auf dem Finanzmarkt könnten es jedoch bald mehr werden.

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