NRW: Pakete von Amazon irritieren immer mehr Kunden. Weder haben sie etwas bestellt, noch wurden sie von Freunden oder Verwandten beschenkt, noch handelt es sich um Fehlläufer. Einen Hinweis auf den Absender gibt es nicht: obwohl in den Sendungen auch mal ein Fernglas oder ein neues Smartphone für rund 200 Euro liegt. Amazon selbst spricht von „betrügerischen Methoden“. Empfänger dürfen die Produkte behalten.
Gefühlsschwankungen per Paket. Erstaunen löste bei Hauke Hering (Name geändert) der Inhalt der Verpackung mit Amazon-Logo aus: ein nagelneues 5,6-Zoll-Smartphone von Huawei, Preis rund 200 Euro. Noch seltsamer: Es lag weder ein Liefer- noch ein Bestellschein bei, geschweige denn eine Rechnung. Sofort fürchtete der Düsseldorfer Angestellte, Hacker hätten die Bestellung über seinen Amazon-Account ausgelöst, er solle das Handy bezahlen. Doch Abbuchungen von seinem Konto gab es zu seiner Erleichterung nicht. Geradezu glücklich machte ihn schließlich eine Nachfrage bei Amazon. Dort gab es zwar keine Aufklärung zum kuriosen Paket, wohl aber die Ansage: Hering dürfe das Smartphone behalten. Verrückt!
Und Hauke Hering ist kein Einzelfall. Im Internet präsentieren mittlerweile diverse Amazon-Kunden den Inhalt aus unverlangten Paketen, die bis zu sechsmal innerhalb einer Woche eingetrudelt seien. Das Arsenal umfasst Handy-Hülle und iPhone-Kabel, Mausefalle und Sexspielzeug oder auch Fernglas und Überwachungskamera. Gleich elfmal, so berichtete es der WDR im Januar, sei ein Solinger Adressat wider Willen gewesen. Mittlerweile versuche er per Gericht, den Konzern zu verpflichten, ihm künftig keins dieser Pakete mehr zu schicken. In erster Instanz sei sein Vorhaben gescheitert.
Genauso wie der Versuch, die Hintergründe des Paket-Mysteriums aufzuhellen. So kursieren bislang lediglich Spekulationen, die die Amazon Pressestelle weder bestätigen noch verwerfen mag. Klar ist nur: Die Pakete kommen nicht von Amazon selbst, sondern über den separaten Marketplace, auf dem sich tausende Händler tummeln. Eine der Vermutungen: Händler aus Fernost eröffnen einen Zweit-Account bei Amazon unter den Namen der Adressaten. Darüber wickeln sie dann den Verkauf von Artikeln ab. Ihr Vorteil: Die Artikel stiegen so im angezeigten Verkaufs-Ranking von Amazon. Obendrein seien positive Bewertungen des Artikels oder Shops möglich. Oder Händler leeren angeblich so kostengünstig ihr gemietetes Lager bei Amazon. Statt Unverkauftes teuer wieder gen China zu verschiffen, schicken sie es einfach wahllos an willkürlich ausgepickte Adressen in Deutschland. Haken nur: Diese Maschen mögen auf Billigartikel passen, kaum aber auf gut verkaufte, teure Smartphones, die bereits über 500mal bewertet wurden.
Amazon selbst spricht sybillinisch von „betrügerischen Methoden“ und Richtlinien-Verstößen. „Weder Namen noch Adressen“ hätten die „Verkäufer“ von Amazon erhalten. Im Gegenteil: Der Branchenprimus droht den Absendern mit Sperre, Zurückhaltung von Zahlungen und Einleitung rechtlicher Schritte. Strafen, die Empfängern der Pakete ausdrücklich nicht drohen. Rechtlich, so die Verbraucherzentrale, haben sie nichts zu befürchten. Juristisch gilt: Wer unverlangt Pakete von Händlern erhält, muss sie nicht aufbewahren. Nutzen - Verschenken - Entsorgen, so lautet der Dreiklang der erlaubten Möglichkeiten. Es gibt nicht mal die Pflicht, den Absender zu kontaktieren, falls ein Herkunftsnachweis im Paket stecken sollte. Auch eine beiliegende Rechnung muss selbstverständlich nicht bezahlt werden. Den einzigen Wermutstropfen mag mancher verschmerzen: Auf so unverhofft ins Haus geflatterte Produkte verweigert Amazon die zweijährige Gewährleistung.