Düren: Mit einem Fachvortrag und einer Ausstellungseröffnung im Bürgerbüro am Internationalen Gedenktag „Nein zu Gewalt an Frauen“ fügten die Organisatorinnen vom „Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen des Kreises Düren“ ihrem langjährigen Engagement eine weitere Facette hinzu und rückten „Häusliche Gewalt im Leben älterer Frauen und hochaltriger Frauen“ in den Fokus.
Zu diesem Thema hielt Martina Böhmer, Altenpflegerin für Geriatrische Rehabilitation, Sachbuchautorin und Beraterin, einen packenden Vortrag. Mit konkreten Beispielen belegte sie, was Bürgermeister Paul Larue in seiner Begrüßungsrede so formuliert hatte: „Man denkt bei dem Thema eher an junge und nicht an ältere Frauen.“ Tatsächlich, so Martina Böhmer, laufen in den Köpfen beim Begriff „ältere Frau“ bestimmte Assoziationen ab. Oft werden ältere Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, als dement oder verwirrt eingestuft und nicht als Opfer von Gewalt wahrgenommen und behandelt. „Alte Frauen erhalten Altersdiagnosen“, sagte die Referentin. Martina Böhmer legte dar, dass häusliche Gewalt viele verschiedene Formen annehmen kann, europaweit jede dritte Frau häusliche Gewalt erlebt, Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen besonders davon betroffen sind. Diese erschreckenden Informationen bewegten die Zuhörerinnen und Zuhörer im Bürgerbüro spürbar ebenso wie die Fallbeispiele der Referentin von Gewaltvorfällen im Pflegebereich. Die Pflegesituation, also das Gefühl des Ausgeliefertsein und der Ohnmacht, erinnere viele alte Frauen an früher durch Gewalt ausgelöste Traumata. Mitunter bringe die Pflegesituation neue Gewalterfahrungen, so Martina Böhmer. Sie stellte die ganz konkrete Frage: Was könnte man tun? Und beantwortete sie: „Abwehr und Nicht-Hingucken-Wollen ist falsch. Wir müssen bereit sein, hinzuschauen, nur so können die betroffenen Frauen geschützt werden.“
Martina Böhmer, die selbst seit 1986 als Altenpflegerin und Trauma-Beraterin tätig ist, hat aus der Summe ihrer vielfältigen Erfahrungen heraus die Beratungsstelle Paula e.V für Frauen ab 60 in Köln gegründet, die unter anderem ehrenamtliche Telefon- und Einzelberatung anbietet. (www.paula-ev-koeln.de, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )Derzeit wird ein Konzept für die Schulung von Pflegenden entwickelt, ein Handbuch für Beraterinnen erarbeitet sowie ein neues Gütesiegel für Pflegeeinrichtungen angestrebt, das Methoden zur traumasensiblen Pflege in den Blick nimmt.
„Für Unterstützungsangebote für ältere Frauen bedarf es der Vernetzung!“ betonte Martina Böhmer mehrmals und richtete ein großes Lob an den Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen des Kreises Düren: „Hier wird hervorragende Arbeit zum Thema geleistet“ und führte als Beweis dafür an, dass sie eingeladen wurde, Anfang Dezember einen Workshop in einer Altenpflegeinrichtung im Kreis Düren zu halten.
Bürgermeister Paul Larue dankte den Organisatorinnen dafür, eine wichtige Facette dem Thema hinzugefügt zu haben, das Männer und Frauen gleichermaßen angehe.
Christina van Essen, kommissarische Leiterin des Frauenbüros der Stadt Düren, appellierte an die Zuhörerinnen und Zuhörer, das Thema weiterzutragen, die Hemmschwelle, bei Gewalt hinzusehen und zu helfen, abzubauen und durch Bewusstmachen des Themas andere Menschen dafür zu sensibilisieren. Sie lud zum Betrachten der Ausstellung mit Plakaten von Studierenden der FH Aachen zum Thema „Frei von Gewalt“ ein, die noch bis zum 6. Dezember im Bürgerbüro gezeigt wird. In Düren wird die Wanderausstellung ergänzt durch ein Plakat mit Collagen von Bewohnerinnen des Dürener Frauenhauses, die sich wochenlang mit dem „Thema „frei leben – ohne Gewalt, was heißt das für mich?“ auseinandergesetzt haben.