Die Uhrenbranche hat ein schweres Jahr 2016 hinter sich: Umsatzrückgänge bedingt durch sinkende Tourismuszahlen, einbrechende Exporte nach Fernost und die aufstrebende Smartwatch setzten den traditionsreichen Manufakturen in der Schweiz gehörig zu. Innovationen mussten her, und so verwundert es kaum, dass auf der diesjährigen Leistungsschau SIHH eine neue alte Zielgruppe verstärkt bedient wurde: die Frauen.
Damenuhren: Neue Wachstumspotenziale für angeschlagene Branche?
Die großen Neuheiten der letzten Jahre zielten eher auf die Männerwelt ab: Immer größere Gehäuse und testosterongeladene Designs standen im Mittelpunkt. Doch in diesem Jahr zeigte etwa die Marke IWC Schaffhausen, die sich seit Jahren eher an Männer richtet und auf ebenso komplizierte wie funktionale Chronographen setzt, mit der "Da Vinci Moon Phase" eine elegante Damenuhr. Das Modell mit einem Gehäusedurchmesser von nur 36 mm wird als "ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Damenkollektion" gefeiert. So jedenfalls zitiert dieser Artikel Georges Kern, der bis vor kurzem CEO bei IWC war und im Sommer zu Breitling wechselte. Verwunderlich ist der Trend nicht: Immerhin machen Damenuhren rund 60 Prozent des weltweiten Umsatzes aus. So füllen immer mehr Modelle der unterschiedlichsten Preisklassen das Angebot auf Uhrenmarktplätzen im Netz und die Schaufenster von Juwelieren und Uhrmachern.
Onlinehandel gerät in der Fokus
Für den durchschlagenden Erfolg sind noch andere Trends verantwortlich: Zum einen ändert sich allmählich die Preispolitik der Schweizer Luxushersteller. Der rapide Preisanstieg der vergangenen Jahre ist vorerst gestoppt. So gab es auf den zwei wichtigen Messen, der SIHH und der Baselworld, wieder mehr erschwinglichen Luxus zu bestaunen. Statt Gold wird wieder zunehmend auf Edelstahl gesetzt. Bei Damenuhren sind zudem die weitaus günstigeren Quarzwerke verbreiteter als teure, weil aufwendige mechanische Innenleben. Zum anderen entdeckt die Branche vermehrt die neuen Marketing- und Vertriebsinstrumente des Internets für sich: Kerns Nachfolger als IWC-Chef, Christoph Grainger-Herr, erklärt im Interview mit der Schweizer Handelszeitung, dass IWC-Kunden, die über die Onlinekanäle des Richemont-Konzerns einkaufen, zu 40 Prozent Frauen sind. Offline sind gerade einmal 15 Prozent der Kunden weiblich. Dementsprechend betont Grainger-Herr, bald einen eigenen IWC-Onlineshop lancieren zu wollen – das sei "keine Frage. Das kommt". Davon soll auch das Händlernetz der Marke profitieren: So sollen die stationären Händler in den Onlinevertriebsweg integriert werden. Kunden könnten dann ihre teuren Stücke beim Händler vor Ort abholen. Bleibt abzuwarten, ob der Kurswechsel von IWC auch auf andere Uhrenmanufakturen mit traditionell eher männlichem Kundenstamm abfärbt. In Deutschland jedenfalls hat man den Trend längst erkannt: Erfolgreiche Marken wie Nomos setzen schon lange auf Unisex-Modelle sowie dezente Gehäusegrößen und positionieren sich im erschwinglichen Preissegment ab 1.000 Euro. Trotz der Uhrenkrise im vergangenen Jahr konnte die Marke aus dem sächsischen Glashütte ihre Verkäufe um 24 Prozent steigern. Das spricht in jedem Fall für die Preis- und Modellpolitik, die nun auch in der Schweiz zunehmend wiederentdeckt wird.
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