Hamburg (pm/ndr) Wikileaks-Gründer Julian Assange hat am Dienstag (3. September) nach Informationen des NDR und der Süddeutschen Zeitung Strafanzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe erstattet. Sie gründet auf dem Verdacht, dass ein Mitglied der US-Streitkräfte in Deutschland im Jahr 2009 illegal auf deutschem Hoheitsgebiet geheimdienstlich tätig war. Dabei soll er sowohl Julian Assange als auch den französischen Internet-Aktivisten Jeremy Zimmermann auf einem Kongress in Berlin ausgespäht haben. Das sei nach dem deutschen Strafgesetz verboten.

Christoph Safferling, Professor für Straf- und Völkerrecht an der Universität Marburg, hält es für möglich, dass hier eine illegale nachrichtendienstliche Agententätigkeit vorliegt. "Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat diesen Straftatbestand dahingehend ausgeweitet, dass auch der freie Meinungs- und Informationsaustausch von Gruppierungen vor dem nachrichtendienstlichen Zugriff ausländischer Dienste geschützt werden muss", erklärt Safferling gegenüber dem NDR. "So kann man durchaus sagen, dass hier ein Eingriff in die deutsche Souveränität stattgefunden hat."

Julian Assange zum NDR: "Sie haben alles daran gesetzt, um mich und einen anderen Aktivisten zu überwachen und einen Bericht zu schreiben. Ein US-Marine ist dafür extra nach Berlin gekommen."

Dieser Bericht ist bis heute unter Verschluss und nicht einsehbar. Allerdings sind im Juni dieses Jahres Details der mutmaßlichen Aufklärungsaktion öffentlich geworden, als der 2009 in Berlin eingesetzte US-Marine-Soldat im Prozess um den Whistleblower Bradley Manning aussagte. Demnach besuchte der IT-Spezialist des US-Marine Corps im Auftrag und auf Kosten seiner Einheit Ende Dezember 2009 eine Konferenz des Chaos Computer Clubs in Berlin. Anschließend verfasste er darüber einen Bericht, der als geheim eingestuft wurde. Darin beschrieb und analysierte er die Vorträge der zwei Netzaktivisten und setzte sie in Verbindung zu einer möglichen terroristischen Bedrohung für die US-Amerikaner. Diese Verbindung, die dort konstruiert werde, sei komplett absurd, kommentiert Julian Assange.

Bislang ist unklar, ob der US-Soldat direkt für den internen Militärnachrichtendienst der US-Marines, das Marine Corps Intelligence Activity (MCIA), arbeitete. Fest steht: Der Marine war von 2006 bis 2010 bei den US-Streitkräften in Stuttgart stationiert. Der IT-Spezialist war dort als Special Intelligence Administrator tätig und in diesem Zusammenhang auch dafür zuständig, mögliche Sicherheitsschwachstellen und gefahren zu ermitteln und zu analysieren. Sein Posten ist laut US-Truppenlisten aus dem Jahr 1999 in der sogenannten G-2-Division, der "Intelligence Division", angesiedelt.

Die in Deutschland zuständige US-Botschaft in Berlin erklärte auf Anfrage des NDR, dass in der Kürze der Zeit keine Stellungnahme möglich sei. Der US-Soldat selbst war bis zur Stunde nicht für ein Statement erreichbar. Eine Antwort des Bundesinnenministeriums liegt dem NDR bislang noch nicht vor.

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