Aldenhoven. Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat setzen gemeinsam ein Zeichen – Keine 1.147 Punkte in Aldenhoven!
Gestern Abend hat der Rat der Gemeinde Aldenhoven in einer denkwürdigen Sitzung den von der Veraltung vorgelegten Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 abgelehnt. Um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, hatte die Verwaltung einen Haushalt aufstellen müssen, der nach Umsetzung noch zahlreicher Einsparvorschläge immer noch einen Grundsteuer B-Hebesatz von 1.147 Punkten zu Folge gehabt hätte. Damit hätte die Gemeinde Aldenhoven den derzeit höchsten Grundsteuersatz in ganz Nordrhein-Westfalen und vermutlich in ganz Deutschland! Alle Mieter müssten tiefer in die Tasche greifen und der durchschnittliche Einfamilienhausbesitzer müsste ca. 400 Euro mehr aufbringen.
Das ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht zuzumuten und es gibt auch nichts mehr zu sparen – darin sind sich alle Akteure einig. Bürgermeister, Verwaltung und Politik hatten vorab in mehreren intensiven Arbeitssitzungen versucht, durch zusätzliche Einsparmaßnahmen das Haushaltsergebnis noch zu verbessern. Und rund 3.200 Bürgerinnen und Bürger, also ein Drittel aller wahlberechtigen Einwohner, hatten sich vorab mit schriftlichen Einwendungen und Beschwerden gegen erneute Steuererhöhungen verwahrt. Hierzu hatte Bürgermeister Ralf Claßen sogar explizit aufgerufen.
Alle sind sich einig: Eine solche Steuerbelastung kann auch nicht das Ziel des Stärkungspaktgesetzes sein. Hier werden die Missstände und Fehler der Kommunalfinanzierung in NRW offenkundig. Die Belastungen, die Initiativen und Regelungen von der Bundesebene über das Land NRW und den Kreis Düren sowie die Umlageverbände den Gemeinden und Städten auferlegen, nehmen stetig und offenbar ohne Maß zu.
Bürgermeister Ralf Claßen dazu: „Wir sparen seit Jahren, aber mit Sparen ist da jetzt nichts mehr zu machen. Mit aktuell 850 Grundsteuerpunkten nach der Erhöhung im vergangenen Jahr und einem rund 80 Maßnahmen umfassenden Sanierungsplan belasten wir die Bürgerinnen und Bürger schon über das erträgliche Maß hinaus. Wir leigen damit schon im traurigen Spitzenfeld aller Städte und Gemeinden. Man fühlt sich als kommunaler Verantwortungsträger wie in einem Hamsterrad: Je mehr man versucht den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und zu sparen, umso höher steigen die Anforderungen von außen. Damit muss jetzt Schluss sein!“
Claßen fasst die Aldenhovener Forderungen so zusammen: „Wir haben unsere Hausaufgaben mehr als erfüllt, das können wir mit gutem Gewissen sagen. Wir fordern jetzt, dass die Institutionen oberhalb der Stadt-/Gemeindeebene, also Kreis, Land und Bund ebenfalls endlich ihre Hausaufgaben machen!“
Unter dem Motto „Gemeinsam Stärke zeigen“ setzt Aldenhoven mit der gemeinsamen Verweigerung weiterer Steuererhöhungen ein wichtiges Zeichen – auch für andere heute schon oder in Zukunft betroffene Kommunen. Formal sind bis zu der Mitteilung an die Aufsichtsbehörden noch einige, rechtlich vorgegebene Schritte erforderlich.
Verwaltung und Rat sehen sich zur Fristwahrung sogar gezwungen, in einer letzten gemeinsamen Ratssitzung am Morgen des Heiligabend, am 24.12.2016, das Verfahren zum Abschluss zu bringen.
Abschließend sendet Aldenhoven eine deutliche Botschaft nach Düsseldorf: „Sie haben uns als „Verliererkommune“ bezeichnet, aber wir sind keine Verliererkommune! Es ist eine Schande für eine Landesregierung, wenn sie zulässt, dass Kommunen wie Aldenhoven überhaupt in eine solche Lage kommen, wenn sie statt zu helfen, teilweise sogar Entwicklungen blockiert. Die Gemeinde Aldenhoven ist bereit, auf allen Ebenen für ihre Rechte zu kämpfen und sie wird das auch nach außen hin deutlich machen!“
Die Gemeinde Aldenhoven fordert konkret:
Der Kreis muss sich der finanziellen Situation seiner Kommunen anpassen und den stetigen Anstieg seines Finanzbedarfs begrenzen. Die Bürgermeisterkonferenz hat hierzu jüngst eindringlich und einvernehmlich aufgefordert und entsprechende Vorschläge gemacht. Die Kommunen unterliegen diesem Sparzwang seit Jahren und sind in der Lage, Leistungen mit geringerer Personaldecke und preiswerter zu erbringen. Die teils offensichtliche Kreisgigantonomie muss endlich ein Ende haben. Sie nützt den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort nichts denn sie bezahlen die Leistungen am Ende selbst. Was hat der Bürger in Nideggen oder Heimbach z. B. von einem „Kleinen Kreishaus“ in Jülich, woran er sich ggf. trotzdem mit riesigen Summen beteiligen muss? Nicht umsonst hat das Oberverwaltungsgericht in Weimar eine Kreisumlage auf Klage einer Gemeinde hin vor kurzem für rechtswidrig erklärt.
Die Landesregierung muss das Stärkungspaktgesetz nachbessern und endlich die Kommunalfinanzierung in Nordrhein-Westfalen auf ein konkurrenzfähiges Niveau bringen. Es kann nicht sein, dass wir in NRW in allen Belangen immer das Schlusslicht bilden. In diesem Bundesland werden die Kommunen systematisch und strukturell unterfinanziert, die großen Städte insbesondere im Ruhrgebiet werden bevorzugt, die Landkommunen und kleineren Städte werden zunehmend ärmer. Das aktuelle Finanzierungssystem ist erkennbar zum Scheitern verurteilt!
Der Bund soll für die von ihm veranlassten Leistungen in Ländern, Kreisen und Kommunen gerade stehen. Die von der Bundesregierung propagierte „Schwarze Null“ hilft uns in den Kommunen nicht weiter. Die bezahlen unsere Bürgerinnen und Bürger hier vor Ort, sie erdulden dafür schmerzhafte Einschnitte. Groß angelegte Sozialprogramme beispielsweise sind nur dann vertretbar, wenn der Bund sie auch tatsächlich selbst finanziert.
Kurzfristig angelegte Förderprojekte oder einzelne Subventionen reichen für eine auskömmliche Kommunalfinanzierung nicht aus. Neben den Megathemen darf man die eigentlichen Probleme vor Ort, die konkreten Probleme der Menschen in den Dörfern und kleineren Städten nicht außer Acht lassen.