Jülich: Um fünf Uhr früh bereits joggen oder erst ins Bett fallen: Zwischen zehn und 20 Prozent der Menschen rechnen sich zu den Frühaufstehern oder Nachteulen. Bisher war ungeklärt, ob und gegebenenfalls welche physiologischen Merkmale den Personen mit ausgeprägten Lebensrhythmen zuzuordnen sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich konnten nun erstmals nachweisen, dass bei sehr nachtaktiven Menschen, den sogenannten "extrem späten Chronotypen", die Signalübertragung in den Nervenfasern in bestimmten Hirnarealen verändert ist.

Zu diesem Ergebnis gelangen Forscher um Dr. Jessica Rosenberg vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin, Bereich Physik der Medizinischen Bildgebung (INM 4). Sie hatten mit einer speziellen Technik im Kernspintomografen (Diffusion-Tension-Imaging (DTI)) bei frühen, normalen und späten Chronotypen die Signalübertragungen in der weißen Hirnsubstanz gemessen. Die weiße Hirnsubstanz besteht vor allem aus Nervenfasern, die für den effizienten Weitertransport von Informationen im Gehirn zuständig sind. Die so erhaltenen Daten verglichen die Forscher mit den strukturellen MRT-Hirnaufnahmen der Probanden. "Es zeigte sich, dass bei den seltenen, sehr nachtaktiven Menschen, die erst im Morgengrauen einschlafen können, die Signalübertragung im Gehirn verändert ist, zum Beispiel in Hirnarealen unterhalb des Frontal- und Temporallappens oder dem anteriorem cingulären Gyrus", erläutert Jessica Rosenberg. Diese Hirnareale sind unter anderem bei kognitiven Leistungen wie etwa beim Lernen, Sprechen oder Erinnern aktiv. "In diesen Bereichen sehen wir de facto erstmals einen physischen Unterschied in der Hirnstruktur. Ob die Resultate Ursache oder Folge der ausgeprägten Nachtaktivität sind, müssen allerdings nachfolgende Studien zeigen."

Interessant sind diese Untersuchungen auch vor dem wissenschaftlich belegten Hintergrund, dass ausgeprägte Nachteulen häufiger unter Schlafstörungen oder Depressionen leiden als die beiden anderen Chronotypen. Ob dieser Befund mit den aktuellen Jülicher Forschungsergebnissen zusammenhängt, muss noch untersucht werden. "Jeder Mensch hat eine eigene innere biologische Uhr, die festlegt, zu welcher Zeit das Leistungsvermögen am höchsten ist beziehungsweise wann der Wunsch zu schlafen entsteht", erläutert Projektleiterin Dr. Jessica Rosenberg. Kollidieren diese individuellen Bedürfnisse beispielsweise mit den Arbeitszeiten, reagiert der Körper darauf gestresst: "Das dauernde Schlafdefizit eines späten Chronotypen lässt sich mit einem chronischen Jetlag vergleichen", so die Wissenschaftlerin. Diese Belastung erkläre möglicherweise auch, warum sehr nachtaktive Menschen zu mehr Alkohol und Zigaretten als Frühaufsteher oder Menschen mit einem normalen Tag-/ Nachtrhythmus tendierten.

Experten empfehlen Menschen, deren Schlafrhythmus nicht zu ihren Arbeitszeiten passt, an freien Tagen das zwangsläufig entstehende Schlafdefizit durch langes Ausschlafen zu kompensieren. In Extremfällen kann auch eine professionelle Lichttherapie unterstützen, mit deren Hilfe die individuellen Phasen künstlich verschoben werden.

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