München: Das Ausbleiben von sehr schweren Katastrophen und eine ruhige Hurrikansaison im Nordatlantik haben die Schäden aus Naturkatastrophen 2014 deutlich niedriger ausfallen lassen. Das teuerste Ereignis gemessen am Gesamtschaden war mit 7 Mrd. US$ der Zyklon Hudhud in Indien. Rund 7.700 Menschen kamen bei den Naturkatastrophen ums Leben.

„Dass die Naturkatastrophen im vergangenen Jahr weniger Menschenleben gekostet haben, ist – bei aller Tragik im Einzelfall – eine gute Nachricht. Und diese Entwicklung ist nicht nur zufällig. Vielerorts funktionierten Frühwarnsysteme besser. Behörden brachten Menschen bei heraufziehenden Wetterkatastrophen konsequent in Sicherheit, so vor Auftreffen des Zyklons Hudhud auf die Ostküste Indiens und des Taifuns Hagupit auf die Küste der Philippinen“, sagte Torsten Jeworrek, Mitglied des Vorstands von Munich Re. „Die in 2014 niedrigeren Schäden dürfen uns aber nicht in Sicherheit wiegen, denn insgesamt hat sich die Risikosituation nicht verändert. Es gibt keinen Anlass, für 2015 einen ähnlich gemäßigten Verlauf zu erwarten. Eine Vorhersage für ein einzelnes Jahr ist aber nicht möglich.“

Das Jahr im Überblick:

  • Die Gesamtschäden aus Naturkatastrophen betrugen 110 Mrd. US$ (Vorjahr 140 Mrd. US$), davon waren etwa 31 Mrd. US$ (39 Mrd. US$) versichert.
  • Die Schadenssummen lagen deutlich unter den inflationsbereinigten Durchschnittswerten der vorangegangenen 10 Jahre (Gesamtschäden: 190 Mrd. US$, versicherte Schäden: 58 Mrd. US$), aber auch unter den Durchschnittswerten der zurückliegenden 30 Jahre (130 Mrd. US$ / 33 Mrd. US$).
  • Die Zahl der Todesopfer war mit 7.700 deutlich geringer als 2013 (21.000) und lag auch erheblich unter den Durchschnittswerten der vergangenen 10 und 30 Jahre (97.000 und 56.000). Sie lag in einer Größenordnung wie zuletzt 1984. Die insofern schwerste Naturkatastrophe mit 665 Toten waren Überschwemmungen in Indien und Pakistan im September.
  • Insgesamt wurden 980 schadenrelevante Naturkatastrophen registriert, deutlich mehr als im Durchschnitt der vergangenen 10 und 30 Jahre (830 bzw. 640). Hierbei dürfte die verbesserte Dokumentation eine wichtige Rolle spielen, da insbesondere in schadenarmen Jahren kleine Ereignisse eine größere Aufmerksamkeit bekommen als in der Vergangenheit üblich.
  • Teuerste Naturkatastrophe des Jahres war der Zyklon Hudhud mit einem Gesamtschaden von 7 Mrd. US$. Die teuerste Naturkatastrophe für die Versicherungswirtschaft war ein Wintersturm mit starken Schneefällen in Japan, der versicherte Schäden von 3,1 Mrd. US$ verursachte.


Mehr als neun von zehn (92 %) der schadenrelevanten Naturkatastrophen entfielen auf Wetterereignisse. Auffällig war die deutlich unterdurchschnittliche Hurrikansaison im Nordatlantik, wo sich nur 8 starke und daher benannte Stürme bildeten; der langfristige Durchschnitt (1950-2013) liegt bei 11. Dagegen war die tropische Wirbelsturmsaison im Ostpazifik von weit überdurchschnittlich vielen Stürmen geprägt, die meist aber nicht auf Land trafen. Ein Sturm im Ostpazifik, Hurrikan Odile, zog der Halbinsel Baja California entlang Richtung Norden und verursachte in Mexiko und südlichen Staaten der USA einen Schaden von 2,5 Mrd. US$; 1,2 Mrd. US$ davon waren versichert. Im Nordwestpazifik trafen vergleichsweise viele Taifune auf die japanische Küste, der Schaden blieb aber wegen der dort hohen Bau- und Infrastrukturstandards gering.

„Die beobachteten Muster passen gut zu dem, was in einer entstehenden El-Niño-Phase erwartet werden kann. Diese Ausprägung der Klimaschaukel ENSO (El Niño Southern Oscillation) im Pazifik beeinflusst Wetterextreme auf der ganzen Welt“, sagte Peter Höppe, Leiter der GeoRisikoForschung von Munich Re. Im Nordatlantik lagen die Wassertemperaturen niedriger als im Durchschnitt. Zudem hemmten atmosphärische Bedingungen wie geringere Luftfeuchtigkeit und stärkere Scherwinde die Entstehung von tropischen Wirbelstürmen. Auch Ereignisse wie die heftigen Stürme und Starkniederschläge in Kalifornien im Dezember nach zuvor langer Dürre passen zum El-Niño-Muster.

Höppe weiter: „Die Wissenschaft geht überwiegend davon aus, dass eine leichte bis moderate El-Niño-Phase bis Mitte 2015 anhalten dürfte. Das könnte die Häufigkeit von Tornados in den USA erhöhen, nach unterdurchschnittlichem Anfall in 2014. Sofern, wie zurzeit von diversen Instituten vorhergesagt, die El-Niño-Phase zur Jahresmitte wieder ausklingt, wären im Atlantik in der Hauptphase der Tropensturm-Saison keine dämpfenden Effekte mehr durch die ENSO-Oszillation zu erwarten.“

Die teuerste Naturkatastrophe des Jahres, der Zyklon Hudhud, zeigte zugleich, wie sinnvoll Maßnahmen der Behörden zur Schadenbegrenzung wirken. Hudhud erreichte am 10. Oktober über dem Golf von Bengalen seine größte Stärke und war mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 190 km/h ein Sturm der Kategorie 4 von 5. Am 12. Oktober traf er bei der indischen Hafenstadt Visakhapatnam an Land, einem wichtigen Wirtschaftszentrum der Region Andhra Pradesh mit 2 Mio. Einwohnern. Teilweise fielen mehr als 120 Liter Regen pro Quadratmeter in 24 Stunden. Aufgrund der Warnungen des indischen Wetterdienstes hatten die Behörden etwa eine halbe Million Menschen evakuiert und in sichere Unterkünfte gebracht. Dadurch blieb die Zahl der Todesopfer für eine Katastrophe dieser Stärke mit 84 niedrig. Von den Gesamtschäden von etwa 7 Mrd. US$ waren etwa 530 Mio. US$ versichert - ein vergleichsweise kleiner Anteil, jedoch nimmt die Versicherungsdichte in Indien erfreulicherweise stetig zu.

Ähnlich verhielt es sich bei Taifun Hagupit, der am 6. Dezember die philippinische Insel Samar traf und dann Kurs auf die Hauptinseln mit der Hauptstadt Manila nahm. Bei Landfall war Hagupit ein Taifun der Stufe 3 mit Windgeschwindigkeiten von teilweise mehr als 175 km/h. Damit war der Sturm zwar schwächer als Supertaifun Haiyan ein Jahr zuvor, bei dem mehr als 6.000 Menschen gestorben waren, aber dennoch sehr zerstörerisch. Vor dem Auftreffen von Hagupit hatten die Behörden 165.000 Menschen entlang der Zugbahn evakuiert. 18 Menschen kamen ums Leben.

Einem Weckruf kam ein Erdbeben im Napa Valley in Kalifornien gleich, das sich am 24. August nahe der Stadt Napa ereignete. Napa liegt in einer hochgefährdeten 70 km breiten Zone mit mehreren Verwerfungen, die zum San-Andreas-Graben gehören. Dort verschiebt sich die Pazifische Platte im Westen gegen die Nordamerikanische Platte im Osten mit etwa 6 cm pro Jahr. Das Beben wies eine Magnitude von 6,0 auf, für diese Region keine außergewöhnliche Stärke. Dennoch wurden zahlreiche Gebäude erheblich beschädigt. Der gesamtwirtschaftliche Schaden betrug etwa 700 Mio. US$, davon waren 150 Mio. US$ versichert. Im bedeutenden Weinanbaugebiet dieser Region wurden in vielen Betrieben Maschinen zur Weinverarbeitung beschädigt und Lagerbestände zerstört. „Das Beben zeigt, dass die Region San Francisco auf weitere, auch größere Beben vorbereitet sein muss. Vorhersagen lassen sich diese allerdings nicht“, sagte Höppe.

Die größten Schäden in Nordamerika verursachte der ungewöhnlich kalte Winter. Wochenlanger strenger Frost in weiten Teilen der USA und Kanadas sowie starke Schneefälle mit Blizzards insbesondere an der Ostküste verursachten 2014 Schäden von 3,7 Mrd. US$, davon waren 2,3 Mrd. US$ versichert.

In Europa kam es im Sommer wie schon im Jahr zuvor wieder zu einem sehr teuren Hagelsturm. Auslöser war das Sturmtief Ela, das im Juni mit hohen Windgeschwindigkeiten und örtlich bis zu 10 cm großen Hagelkörnern über Frankreich, Belgien und den Westen Deutschlands hinwegzog. Der Gesamtschaden betrug 3,5 Mrd. US$ (2,5 Mrd. €), davon waren 2,8 Mrd. US$ (2 Mrd. €) versichert. In Deutschland verursachte dieser Hagelsturm Gesamtschäden von 1,2 Mrd. US$ (880 Mio. €) und versicherte Schäden von 890 Mio. US$ (650 Mio. €).

„Schadenrelevante durch Gewitter bedingte Unwetter, in der Fachsprache konvektive Ereignisse, nehmen in verschiedenen Regionen wie etwa den USA und in Mitteleuropa nachweislich zu. Hagelschläge können extreme Schäden verursachen. Daher haben Maßnahmen zur Verringerung der Schadenanfälligkeit beispielsweise von Gebäuden größte Bedeutung“, sagte Höppe.