Noch vor drei Jahrzehnten war die Kontaktaktanzeige in der Zeitung der übliche Weg, bisher unbekannte Menschen für lustvolle oder amouröse Kontakte kennenzulernen. Mittlerweile haben moderne Kommunikationswege die Sache aber vollkommen auf den Kopf gestellt: Die Social Media mit all ihren Facetten und Teilbereichen bringt Menschen aus aller Welt mit sprichwörtlich wenigen Klicks zusammen. 

Ob freundschaftliches Miteinander, erotisches Abenteuer oder die ganz große Liebe: Selbst Fachleute sind erstaunt, mit welchem Tempo die verschiedenen Communitys das Datingleben der Menschen aufgemischt haben. Und das gilt durchaus auch für die Partnersuche ab 60: Auch und gerade in dieser Gruppe spielen Dating-Plattformen mittlerweile eine zentrale Rolle – auch wenn der klassische Partyflirt oder das Zusammenrücken mit der Kollegin beziehungsweise dem Kollegen nach wie vor zu neuen Partnerschaften führt. Aber: Kann in einer Dating-App tatsächlich das große Gefühl transportiert werden?

Die Freiheit in der Partnerwahl – und die Chancen durch Kommunikationsmedien

 Die Menschen hierzulande leben in einer sehr weitgehenden Freiheit, auch bei der Partnersuche muss man sich von niemandem hineinreden lassen. Auch praktische Erwägungen wie die Übernahme des elterlichen Hofs oder die Versorgung des Nachwuchses sind immer weniger wichtig – bei den Partnersuchen der älteren Generation sind diese Aspekte ohnehin nahezu immer obsolet. Also kann der Fokus grundsätzlich mehr auf die emotionale Verbundenheit gerichtet werden.

Der soziale wie der sexuelle Status der einzelnen User ist auch in den sozialen Medien und auf Dating-Seiten von Bedeutung. Dies unterstreicht beispielsweise auch die Soziologin Kornelia Hahn von der Universität Salzburg an. Dating-Communitys stellen nach Auffassung der für die Zusammenführung potenziell passender Partnerinnen und Partner oftmals einen möglichst ähnlichen Status in den Mittelpunkt. Es erscheint auch als sinnvoll, nicht nur sich selbst mit einer Vielzahl an Eigenschaften präsentieren zu können. Man kann auch angeben, welche dieser Merkmale eine mögliche Partnerin oder ein möglicher Partner mitbringen soll. Doch man sollte sich nicht alleine auf diese nüchternen Zahlen, Daten und Fakten verlassen, denn Menschen sind bekanntlich keine Maschinen.

Wo liegt der Knackpunkt?

Es erscheint so einfach: Man gibt ein paar persönliche Daten von sich preis und nennt dem System sein individuelles Suchmuster, schon wird die perfekte Partnerschaft auf digitalem Wege regelrecht arrangiert. Doch Achtung: Der Algorithmus hilft lediglich bei der Erkenntnis, welche Menschen just im Moment mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zueinanderpassen. Doch eine KI kann nicht in die Zukunft sehen und trifft demnach keine Aussagen darüber, wie sich das Miteinander in der Zukunft entwickeln wird.

Dies ist vielen Nutzern der Community allerdings nicht klar: Viele gehen selbstverständlich davon aus, dass konkrete und ehrliche Angaben zur eigenen Person ausreichend sind, um nahezu hundertprozentig passende Matches zu generieren. Allerdings wird ein System immer eine gewisse Auswahl an möglichen Treffern benennen, sodass sie Matches komplett austauschbar erscheinen. Und: Vielleicht ist Person B ja noch viel interessanter als Person A, von Person C und D ganz zu schweigen …

Das wahre Leben findet weiterhin offline statt – aber mit digitaler Unterstützung

Ob an der Kasse im Supermarkt oder bei der gemeinsamen Fahrt im Zug: Auch in der Zukunft wird man sich in Situationen wiederfinden, die einen Flirt der klassischen Art zulassen. In ähnlicher Weise kann man ihn auch ins Internet übertragen. Hier steht einem (ob in jungen Jahren oder für die Partnersuche ab 60) sogar eine noch größere Welt offen: Man kann sich mit Menschen austauschen, die man andernfalls nie getroffen hätte. Dies birgt aber die Gefahr, sich zum eigenen Glück zwingen zu wollen und rastlos nach immer noch besser passenden Partnerinnen und Partnern zu suchen. Ein solches Datingleben führt aber definitiv nicht zum Glück, sondern zu einer immer größeren Unzufriedenheit.

Fakt ist: Eine Dating-Community ist nicht romantischer als die Bahnhofshalle. In beiden kann man die große Liebe finden, aber auch dicht an ihr vorbeilaufen. Fachleute betonen längst, dass sich nicht nur gleich und gleich gern gesellen, sondern betonen auch die Anziehung von Gegensätzen. Natürlich braucht eine harmonische Partnerschaft ein hohes Maß an Schnittmengen – oft sind es aber gerade die offensichtlich nicht zusammenpassenden Eigenschaften, die das notwendige Feuer in einer Beziehung am Leben halten.

Und: Diese Regel gilt online wie offline gleichermaßen! Im Idealfall begibt man sich also in ein Umfeld, in dem an sich wohlfühlt (online gilt es also, die passende Dating-Seite für sich zu finden!), um dort offen und flirty auf andere User zuzugehen. Auch online sind schon tolle, langjährige Partnerschaften entstanden, denen man aufgrund einer virtuellen Checkliste kaum eine Chance gegeben hätte.

Fazit: Hinterm Tellerrand geht’s weiter

Der Online-Flirt kann großen Spaß machen und lädt auch dazu ein, den eigenen Horizont zu weiten. Damit folgt man übrigens auch den aktuellen Datingtrends: Bei der Generational Romantic misst man einem Altersunterschied keine wesentliche Bedeutung bei. Beim Val-Core-Dating kommen indes Menschen zusammen, die gemeinsame Werte und was Ansichten miteinander teilen. Auch hier spielt das Alter allenfalls eine kleine Nebenrolle. Emotionen entstehen durch geistige wie emotionale Reife und die Möglichkeit, sich auf der gleichen Ebene auszutauschen, vielleicht bei einem langen Spaziergang im Frühling. Dabei ist das Alter nicht mehr als eine Zahl.