Hamburg: Sigmar Gabriel kämpft auch als Vizekanzler um private Freiräume. "Das muss auch drin sein, sonst dreht man doch durch", sagte der SPD-Chef in einem Interview mit dem Magazin stern. So will er trotz Kritik weiter versuchen, seine zweijährige Tochter Marie einmal in der Woche aus der Kita abzuholen, um mit ihr den Nachmittag in seiner Heimatstadt Goslar zu verbringen. Wer ihn deswegen "Teilzeitminister" nenne, habe "einen Knall". Es gehe dabei um "drei bis vier Stunden an einem Tag! Ich arbeite weit mehr als 70 Stunden in der Woche." Der SPD-Vorsitzende, der mit einer berufstätigen Zahnärztin verheiratet ist, sagte, er werde es sicherlich nicht jede Woche schaffen, seine Tochter abzuholen. "Dann werde ich allerdings versuchen, am Wochenende zusätzlich mehr Zeit für die Familie zu haben." Die Welt funktioniere auch, wenn man nicht 24 Stunden an ihr arbeite, so Gabriel. "In Belgien hat sich ein Land ohne Regierung fast zwei Jahre lang gut entwickelt, man kann als Politiker nur froh sein, dass sich das in Deutschland nicht rumgesprochen hat."

Auf die Frage, was ihm der Titel Vizekanzler bedeute, antwortete Gabriel: "Nichts." Er sei zwar "der Stellvertreter von Frau Merkel, aber sie wird schon dafür sorgen, dass diese Stellvertretung nicht oft eintritt", sagte der Wirtschafts- und Energieminister dem stern. An der Kanzlerin schätzt Gabriel vor allem deren Humor. "Sie hat zudem gelegentlich auch einen selbstironischen Blick auf die Politik. Und sehr angenehm ist, dass sie ihr Amt nicht wie eine Monstranz vor sich herträgt. Außerdem ist sie sehr verlässlich." Duzen würden sie sich allerdings auch weiterhin nicht, so der SPD-Chef. "Zum partnerschaftlichen und höflichen Umgang braucht man nicht unbedingt das Du. Es sagt sich viel leichter du Blödmann als Sie Blödmann." Ob die Kanzlerin eine gute Chefin sei, könne er nicht beurteilen, sagte Gabriel dem stern: "Sie ist ja nicht meine Chefin." Merkel werde ihn umgekehrt "sicher auch nicht als ihren Angestellten sehen. Wir sehen uns als Partner."

Gabriel bestätigte erstmals, dass er als Parteivorsitzender zurückgetreten wäre, falls die SPD-Basis gegen die Große Koalition gestimmt hätte. "Für mich war völlig klar: Geht das Mitgliedervotum schief, dann bin ich nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter", sagte er dem stern. Für die Dinge, die man für richtig halte, müsse man "notfalls auch sein eigenes Amt riskieren. Wir werden nicht gewählt, um ein risikofreies Leben zu führen", so Gabriel weiter. "Und ich sag Ihnen was: Ein Scheitern bei der Mitgliederbefragung wäre besser gewesen, als eine Große Koalition mit Gewalt von oben nach unten durchzusetzen." Die Abstimmung über das Bündnis mit der Union habe einen "unglaublich befriedenden Charakter für die SPD" gehabt und zudem "die SPD-Führung sehr zusammengeschweißt". Das, so der lange umstrittene Parteichef, "soll so bleiben".

Quelle: OTS PM Stern