Aachen: Kreislaufstillstand – da zählt jede Sekunde. Um die Zeit zwischen Kreislaufversagen und ersten Wiederbelebungsmaßnahmen deutlich zu reduzieren, testet der Rettungsdienst der Stadt Aachen zurzeit eine Handy-Applikation, mit der zusätzlich versierte Ersthelfer zum Notfall gerufen werden können.

Im vergangenen Jahr notierte die StädteRegionale Leitstelle – betrieben durch die Feuerwehr Aachen – bei etwa 30 000 Notfalleinsätzen 211 Reanimationen im Aachener Stadtgebiet. Laut Gesetz muss im städtischen Bereich in 90 Prozent der Einsätze der Rettungswagen innerhalb von acht Minuten beim Notfallpatienten sein. „Wir schaffen im Mittel sieben Minuten“, erklärte Dr. Stefan Beckers, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes. „Allerdings ist bei einem Herzstillstand das Gehirn nach drei bis fünf Minuten unwiderruflich geschädigt. Es ist also wichtig, dass bereits vor dem Eintreffen des Rettungsdienstes mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen wird.“

Dafür wurden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen: Die Leitstellen leiten Anrufer, die einen entsprechenden Notfall melden, bei Wiederbelebungsmaßnahmen an. „Das funktioniert aber nur in 60 bis 70 Prozent der Fälle, weil zum Beispiel nicht jeder Anrufer auch direkt beim Patienten ist oder körperlich nicht in der Lage ist zu helfen“, weiß Beckers. Die Laien-Reanimationsrate konnte durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit in den vergangenen drei Jahren in Aachen von 17 Prozent auf 40 Prozent gesteigert werden. „Dazu haben auch unsere regelmäßigen Schulungen von Schülern ab der siebten Klasse beigetragen“, sagte Beckers. Und doch ist hier noch viel Luft nach oben – in den Niederlanden oder Skandinavien helfen in 80 bis 90 Prozent Laien direkt als Ersthelfer und verschaffen den Ländern so deutlich bessere Überlebensraten nach solchen Akuteinsätzen.
So fiel in einem „Interreg“-Projekt das Augenmerk auf die, die sich qua Profession mit Wiederbelebung auskennen und darin regelmäßig geschult werden: Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflegepersonal, Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Hilfsorganisationen, aber auch Medizinstudierende und Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren. „Wenn ich in meiner Freizeit in einem Restaurant sitze, könnte in einem Nachbarhaus ein Mensch einen Kreislaufstillstand erleiden. Ich könnte helfen, wenn ich denn davon wüsste“, verdeutlicht Beckers die Idee, die hinter der App mit Namen „Corhelp3r“ steckt. Sie wurde aus den Ergebnissen des Projektes von dem Aachener Unternehmen „P3“ und dem Medizingerätehersteller „corpuls/G. Stemple GmbH, Kauferring“ entwickelt.

Das Ziel ist, 2.000 bis 2.500 Lebensretter in Aachen mit Hilfe der App zu erreichen. Im Falle eines gemeldeten Kreislaufstillstandes alarmiert die Leitstelle der Feuerwehr neben einem Notarzt und Rettungswagen zusätzlich alle Ersthelfer, die sich in einem Radius von 500 Metern um den Notfallort aufhalten. Die ersten beiden Ersthelfer, die ihre aktuelle Einsatzbereitschaft bestätigen, werden per Navigation direkt zum Notfall geleitet und bekommen dann auch noch mal eine Reanimationsanleitung samt eines Metronoms, das exakt 100 Schläge pro Minute vorgibt – der richtige Takt für eine wirksame Wiederbelebung.

In Sachen Datenschutz und Versicherungsschutz wurde alles auf Gesetzmäßigkeit abgeklopft. Und: „Der Anrufer wird darauf vorbereitet, dass in Kürze ein Mensch vor der Tür steht, der zwar Ersthelfer ist, aber erst mal nicht so aussieht. Er kommt ja in zivil“, erklärt Beckers.

Für einen ersten Test von zwei Monaten stehen jetzt 60 Ersthelfer parat, danach soll das System ausgeweitet werden. Die Finanzierung ist für das erste Jahr gesichert. Vor allem die relativ teure Ersteinrichtung samt passender Schnittstelle für die Software der Leitstelle wurde dank des Vereins „Notärzte im Rettungsdienst Aachen“ bereits bezahlt. Die laufenden Kosten sollen in den kommenden Jahren durch weitere Spenden finanziert werden.